Endlich wieder Herzklopfen
Vor Auftritten spüre ich immer noch eine positive, konzentrierte Spannung, doch längst keine Aufregung mehr. Ob wir in großen Hallen vor Zehntausend Menschen singen, mit echten
Stars zusammenarbeiten oder einen Gottesdienst mitgestalten, mein Ruhepuls bleibt gelassen.
Und doch stehe ich jetzt hier und all das ist wieder da. Mein Herz rast, mein Magen grummelt und mein Hals ist ganz trocken. Die Ansprache des Gastgebers, der
auf den hohen Anspruch verweist, den sein Haus an einen Chor hat, der hier singen darf, der Hinweis auf den Haus- Chor*, der sonst an dieser Stelle die Messe begleitet, all das kann es nicht sein. Das sind wir gewöhnt.
Es muss wohl genau dieses
Haus sein, welches im tiefsten Sinne das Herz einer Stadt ist, was mein eigenes Herz zum Pochen bringt.
Wir verlassen das Dachgeschoss mit seinen wunderbaren Fenstern, dem spitzen Giebel und dem warmen Licht, gehen eine alte Treppe hinunter. Durch die
Buntglasscheiben erahnen wir das pulsierende Leben auf dem Vorplatz. Hier drinnen werde ich immer stiller.
Der Weg führt durch die große Sakristei in den kalten Kirchenraum. Wartend stehen wir auf den alten Steinplatten. Wer mag hier schon
alles gewandelt sein. Ein schmiedeeisernes Gitter öffnet sich und hinein in das sich über uns wölbende Kunstwerk der Hochgotik.
Es ist kühl, obwohl es Sommer ist, das Licht schimmert auf dem goldenen Schrein,
der hinter dem Hochaltar prangt, während wir uns einen Platz unterhalb des reich verzierten Chorgestühls suchen.
Meine Aufregung legt sich nicht. Ich bin ergriffen, voller Furcht und Freude. Der Gottesdienst beginnt, der Priester hebt an,
meine Hände sind ganz kalt.
Als wir uns zum ersten Lied erheben, weiß ich immer noch nicht, ob sich ein Ton aus meiner Kehle lösen wird. Dazu kommt die schwierige Akustik.
Dann hebt der Chorleiter die Hand, verharrt für Sekundenbruchteile
in der Luft, die Spannung steigt, mein Herz schlägt schneller, doch dann siegt die Erfahrung und als sich die ersten Töne in das hohe Gewölbe schwingen, bin ich ganz da. Ich bin ja nicht alleine. Da sind all die wunderbaren Stimmen meiner Mitsänger/
innen, die das Einzelne zu diesem zauberhaften Ganzen sammeln, dem Chorgesang. Und wo könnte er schöner schwingen als hier in unserem lieben Dom zu Kölle. Hier, in der Tiefe aller Geheimnisse, dem schönen Dreikönigsschrein, dessen
„Erwerb“, so wollen wir es wohlwollend nennen, die Stadt Köln als Pilgerstätte so viel an Ansehen, Freiheit, Eigenständigkeit und Reichtum zu verdanken hat.
Aber für alle, denen ein kölsches Herz in der Brust schlägt,
ist der Dom ja soviel mehr und das war es wohl, was mich so ungewohnt ergriffen hat.
Als der schön gestaltete Gottesdienst, zu dem die Auswahl der ruhigen, kontemplativen Stücke durch unseren Chorleiter Michael Hesseler sehr gut passte, sich
dem Ende neigte, prozessierte die Gemeinde unter Weihrauchschwaden und Orgelklang festlich hinüber zu der Schmuckmadonna. Dort sangen wir das passende Stück “Hail Holy Queen“.
Zum Schluss versammelten wir uns in der Sakristei und
erwarteten das abschließende Urteil. Der sehr gestrenge Gastgeber wartete, bis alle ganz still waren und seine Miene war sehr ernst dabei. Dann sagte er:“ Sucht euch einen neuen Termin aus.“ Alle warteten. „Habt ihr das verstanden,
ihr dürft wiederkommen! Das war wirklich sehr schön!“
Aufatmen, Vorfreude, Begeisterung.
Bei einem lustigen Zusammensitzen im Brauhaus gegenüber fiel die Anspannung endgültig ab und ich wusste, dass dies eines der Highlights
in meinem Chorleben bleiben würde. Da der Gottesdienst im Domradio mit Bild und Ton übertragen wurde und auch in der Mediathek zu sehen ist, konnte ich das Erlebte noch einmal in Ruhe genießen.
Freunde, die zurzeit einige Jahre in China
leben und regelmäßig Messen im Domradio verfolgen, weil es in China oft eine lange Reise zur nächsten Kirche erfordert, machten wir eine echte Freude.
Das war vor zwei Jahren. Dieses Jahr im November hatten wir wieder das Vergnügen
im Dom zu singen. Meine Aufregung war wieder da. Wie auch nicht, wenn man mitten im Herzen einer Stadt die schönsten Lieder singen darf. Und das, in unserem lieben Dömchen.
*beim Haus-Chor handelt es sich natürlich um den Domchor
Wen das neugierig gemacht hat, der hat am die Gelegenheit den Chor „Spirit of Change“ mit Psalm- und Evensongs um
Uhr beim Gottesdienst live am Dreikönigsschrein zu erleben.
Sternenstaub und Gänsebraten
Heute habe ich meinen weißen Chorschal gewaschen. Ich hatte ihn nach dem Auftritt in meiner Tasche gelassen. Er lag neben
Noten, die eine Geschichte erzählen. Weihnachtlich und besinnlich, hoch dann wieder tief. Ein paar Halsbonbons, ein wenig Glitzer, wo der wohl herkommt, wie Sternenstaub, ein wenig Adventsgefühl- übriggeblieben. Der Schal lag zuunterst.
Vergessen.
Nicht so schlimm. Er müffelt nicht. Das Singen in Kirchen ist selten schweißtreibend. Ausgefallene, überforderte oder defekte Heizanlagen zählen neben den schwierigen akustischen Gegebenheiten in vielen Gotteshäusern
eher zum Alltag eines Kirchenchorsängers.
Dafür wird man mit interessanter Architektur, durch Buntglasfenster fallendes Licht und manchem Kunstwerk schon bei der Probenarbeit verwöhnt.
Viel Zeit und Arbeit stecken Chorleiter,
Techniker und Mitglieder der Band unter der Leitung von Klangmeister Wilfried Venedy in die Perfektion der jeweiligen akustischen Begebenheiten und füllt sich der Kirchenraum mit Menschen, wird auch die schlimmste Kälte gemindert.
Gut gefüllt
war die Porzer Pfarrkirche St. Josef gleich an zwei Aufführungen der „Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens als Hörspiel im Advent. Kuschelig warm wurde es nicht gerade, aber im Herzen wurde es dafür ganz weihnachtlich.
„Spirit
of Change“ und der Jugendchor „Young Spirits“ gaben die Geschichte von Dickens als Singspiel. Eine Herausforderung war das schnelle Singen von deutschen Texten, gegen die Akustik des Kirchenraumes. Doch wir konnten auf das Coaching
von Melanie Wirtz zurückgreifen, welches während eines unserer Probenwochenenden in Oberwesel in den Probenplan eingebaut worden war.
In dem Hörspiel las sie zusammen mit Sprecher Thomas Friebe fesselnd und anspruchsvoll die Dialoge und
Erzählpassagen. Es gab Momente zum Schmunzeln und solche zum Weinen. Viele nachdenkliche und vielleicht auch gruselige Augenblicke. Schließlich begegnen dem Geizhals und Fiesling Scrooge drei Geister, die ihn auf den rechten Weg zurückbringen
wollen.
Klanglich abgerundet wurde das vorweihnachtliche Erlebnis von der Haus- und Hofband von Spirit of Change und dem Pfarrorchester von St. Josef. unter der Leitung von Kantor Michael Hesseler
Als Hintergrund auf großer
Leinwand malten die Illustrationen von Robert Ingpen das Geschehen mit bunten Farben aus. Die Weihnachtsgans sah wirklich lecker aus.
Die Zuschauer waren begeistert und spendeten dem Zusammenspiel so Vieler enthusiastischen Applaus, erhebten sich von
den Sitzen. Alle gingen mit weihnachtlichen Gefühlen hinaus in den Winterabend.
Der weiße Schal wird jetzt in meiner Chorkiste verstaut und wartet auf den nächsten festlichen Auftritt.
Kennen wir noch den Geist der Weihnacht?*
Wir sitzen auf unseren neuen Chor- Klappkisten und lauschen Pfarrer Dr. Rolf Theobold und Elisabeth Uhlenbroch- Bläser im Zwiegespräch.
Aber es scheint nur auf den ersten Blick so. Schließt man die Augen und lauscht nur den Stimmen,
dann knurrt da nicht mehr der Pfarrer, sondern der alte Geizhals Scrooge und spricht nicht wie mit Engelszungen die Gemeindereferentin, sondern man hört das Flehen des kleinen Tim, der scheinbar Unverbesserliche, möge doch den Geist der Weihnacht
atmen. Doch der muss zuerst die drei Geister sehen, die ihm arg zusetzen und ihn am Ende retten.
Diesen schönen Brückenschlag von unserem Weihnachtshörspiel zu der 40. Zündorfer Gospelnacht schlagen die beiden liturgischen Leiter
in diesem ökumenischen Gottesdienst in Texten und kleinen Theatereinlagen. Sie fragen sich und uns, ob wir noch den Geist der Weihnacht kennen.
Die Kirche St. Mariae Geburt in Zündorf ist an diesem Abend brechend voll.
Es liegt Weihnachten
in der Luft. Spirit of Change und Band und die Young Spirits singen Stücke aus dem Hörspiel „Eine Weihnachtsgeschichte“ von Dickens, Gospel und Weihnachtslieder.
Nachdem Pfarrer Theobold und Frau Uhlenbroch-
Bläser Pfarrer Rheins gedachten, der so lange die Gospelnächte mitgestaltet hatte, fiel es zunächst sehr bewegt, schwer, wieder konzentriert zu singen. Doch bei den Weihnachtsliedern unterstützte die Gemeinde nach Leibeskräften und
ein schönes Adventssingen füllte den Kirchenraum. Bei „Oh Happy Day“ sprang der Funke endgültig über.
Gerne wurde da für den guten Zweck, diesmal „die Tafel“ gespendet.
*Thema der 40.Zündorfer
Gospelnacht
Rawhide* Oder jetzt schließt sich der Kreis
„Wir sind heute hier,
schade, dass ihr nicht dabei seid.“ Das war die erste Nachricht an alle Kranken und Daheim gebliebenen von der Überraschungsweihnachtsparty des Chores.
Leider gehörte ich dazu, weshalb ich nur anhand der schönen Fotos und Filme
über diesen Abend berichten kann, den uns unsere lieben Chorfreunde zum Trost zuschickten.
Wieder wusste bis auf das Vorbereitungsteam niemand, wohin die diesjährige Weihnachtsfeier gehen würde. Nur dass wir uns sportlich- elegant kleiden
sollten.
Sofort begann das schöne Ritual der Spekulationen. Wir überschlugen uns mit unseren Ideen. Ich glaube, wir lagen alle falsch.
Als das Geheimnis gelüftet wurde trudelten Fotos aus Elspe ein. Die Weihnachtsdinnershow also!
4- Gang Menü, Servicepersonal im Westernlook, irdene Gefäße mit köstlichsten Speisen vom Lagerfeuer, (stelle ich mir jedenfalls so vor) zubereitet von bärtigen Cowboys, dazu eine Show von Artisten, Musikern, Schauspielern und Stuntmen.
Na, da verpasste ich ja richtig was.
Den ganzen Abend über trudelten weitere Fotos ein, so dass ich beinahe das Gefühl hatte, dabei zu sein. Begeisterung und Spaß sprangen förmlich aus dem Zelluloid. Nach der zweistündigen
Show ging es weiter bei der Aftershowparty im Saloon!
Anscheinend haben die Verantwortlichen in Elspe unseren Hörspielabend verfolgt, denn sie griffen das Thema „Christmas Carol“ auf und bauten das Ganze in eine Westernkulisse mit Schlägerei,
Tanz und sogar brennenden Pferden ein.
Da war er wieder, der alte Geizhals Scrooge. Ich zitiere mich mal selber: „Wer glaubt, die Weihnachtsgeschichte schon in all ihren Fassungen gelesen oder gesehen zu haben, …, der irrt.“ *
In diesem Sinne freuen wir uns auf ein neues, aufregendes Chor-Jahr mit Spirit of Change und Band und den Young Spirits.
Kerstin Surra
*Westernsong von Frankie Laine
*aus dem letzten Pfarrbrief „Die Geister der
Weihnacht“